…aber (bisher) doch kein Veganer bin.
Ich habe es dieses Jahr dann doch endlich geschafft: Ich esse seit dem Frühjahr kein Fleisch und keinen Fisch mehr.
Diese Entwicklung hat sich bei mir schon seit Jahren angebahnt. Vor über 15 Jahren haben die Gemahlin und ich aufgehört Wurstprodukte zu verzehren, das aber eher aus gesundheitlichen Gründen. Der größte Teil der Fleischprodukte in der Wursttheke sind ja doch “hochverarbeitete”, industrielle Lebensmittel und nicht unbedingt sehr gesund. Und ich habe bereits seit über zehn Jahren meinen Fleischkonsum schon sehr stark reduziert und versucht mich, soweit es mir möglich schien, auf das eine Biergarten-Schnitzel mit Pommes im Quartal, das Halbjahres-Schäuferle beim Wandern in der Fränkischen Schweiz und die zwei/drei Kaminwurzen für die Brotzeit beim Bergwandern zu beschränken. Ansonsten habe ich schon länger probiert, Fleisch und Fisch zu vermeiden. Lamm und Kalb esse ich außerdem schon seit über 25 Jahren nicht mehr (“Ich esse nichts, was der säugenden Mutterbrust entrissen wurde!”).
Darüber hinaus habe ich Milch fast vollständig durch Haferdrinks ersetzt (schmeckt mir inzwischen sogar besser!) und auch den Käsekonsum etwas durch vegetarische und vegane Brotaufstriche eingeschränkt – und ich liebe Käse, das will was heißen!
Aber trotzdem ist dieses Verhalten natürlich inkonsequent und ich habe deshalb in den letzten Jahren die meisten Fleischgerichte bereits mit einem schlechten Gewissen “genossen”. Die nahende Klimakatastrophe hat natürlich ebenfalls dazu beigetragen, dass ich damit begonnen habe, mich auch mit den Auswirkungen der Fleischerzeugung auf den Klimawandel zu beschäftigen.
Fleischindustrie als Klimakiller
Und die Zahlen sind erschreckend beeindruckend: Der Beitrag der Viehwirtschaft zu den klimaschädlichen Gasen beträgt ungefähr 14,5 Prozent. 45 Prozent dieser Emissionen stammen aus der Produktion und Verarbeitung von Futtermitteln, 39 Prozent aus den Emissionen, die aus dem Verdauungstrakt von Wiederkäuern wie Rindern, Ziegen und Schafen freigesetzt werden und die letzten 10 Prozent aus der Lagerung und Verarbeitung von Dung. Zusammen machen diese Emissionen über 55 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen des Nahrungsmittelsektors aus – und das, obwohl die Viehwirtschaft nur 37 Prozent des Proteins und 18 Prozent der Kalorienversorgung der Weltbevölkerung bereitstellt. (Quelle) Pro Kilo Rindfleisch werden umgerechnet 13,3 Kilo CO2 freigesetzt. Zum Vergleich: Die gleiche Menge Mischbrot produziert 0,75 Kilo, Äpfel 0,5 Kilo, und Tomaten 0,2 Kilo Kohlendioxid.
Somit alles für das Fleisch sehr ungünstige Fakten und Verhältnisse…. Und da gibt es noch mehr, wie die Tatsache, dass für das Soja-Kraftfutter für unsere Steaks und Schnitzel der Regenwald weichen muss und der in dem aus Südamerika importierten Soja gebundene Stickstoff über den Dung unsere Felder und Wiesen belastet. Auch wenn Stickstoff eigentlich Dünger ist, gilt auch hier der schöne Satz von Paracelsus: Die Dosis macht das Gift! Der Stickstoff-Überschuss schädigt Seen und Flüsse, verändert Böden, zerstört die Biologische Vielfalt, verseucht unser Grundwasser, schadet der Gesundheit und heizt den Klimawandel an. Und der Stickstoff fehlt dann wiederum in Südamerika, wo die Böden immer unfruchtbarer werden. Eigentlich müssten wir unsere Kuh- und Schweinescheiße wieder umgehend nach Südamerika zurück schippern und dort auf die Böden kippen. Und wie absurd klingt das jetzt?
Das alles stört einen linksgrünveredelten Gutmenschen wie mich natürlich schon ein bisschen.
Tierleid als primäre Motivation
Allerdings ist die Klimakatastrophe nicht der Hauptgrund mich den eher kürzeren Rest meines Lebens jetzt doch noch fleisch- und fischlos zu ernähren. Der Auslöser war letztendlich: Ich lebe in einem ehemaligen Dorf am Stadtrand der kleinen Großstadt, die ich meine Heimatstadt nenne. Deshalb befinden sich auch zwei Bauernhöfe in meiner direkten Nachbarstadt. Beide betreiben Milchwirtschaft und der eine züchtet auch Bullen für die Viehzucht. An diesem Bauernhof laufe ich vor allem sehr oft vorbei und die beengten Verhältnisse in denen die Rinder ihr Leben fristen müssen, sind seit längerem nicht ohne Eindruck auf mich geblieben. Und wenn man dann anfängt, sich intensiver mit Auswirkungen der Fleischproduktion auf die betroffenen Lebewesen zu beschäftigen, ist man als halbwegs emphatisch empfindender Mensch recht schnell in einem Dilemma. Und wenn man zu dem Thema Tierleid dann online recherchiert, schlagen die Algorithmen zusätzlich schnell und gnadenlos zu. Es gibt wohl bald kaum mehr eine Dokumentation über Tierleid, die mir nicht in die Suchergebnisse gespült oder mir bei Netflix und von den Mediatheken der Öffentlichen angeboten und von mir auch konsumiert wurden.
Hattet Ihr gewusst, dass Schweine so intelligent wie Primaten sind und sich sehr viel mehr Kommandos merken können als Hunde? (Quelle) Dass Rinder ebenfalls über ausgeprägte Intelligenz verfügen und soziale, empathische und gesellige Lebewesen sind? (Quelle) Dass Puten über 10 Jahre alt werden können, von uns aber innerhalb von wenigen Monaten auf Schlachtgewicht hochgemästet und dann als Kleinkinder im Alter 3-5 Monaten geschlachtet werden? (Quelle)
Wir haben aufgehört, bestimmte Tiere als fühlende und auch leidende Wesen zu betrachten und sie zu industriellen Produkten gemacht. Und wir fügen alleine in Deutschland diesen Tieren Leiden und Qualen zu, die uns alle, wenn es denn eine Hölle gibt, Ewigkeiten lang in dieser schmoren lassen werden. Ich kenne Menschen, die mir in Diskussionen erklären, dass das Tierleid in der Landwirtschaft Ihnen zwar bewusst sei, sie aber nicht interessiere, sie würden einfach nicht auf die tägliche Fleischproduktion verzichten wollen. Die dann aber über 1000 Euro beim Tierarzt für ihre fett gefütterte Katze mit Diabetes auf den Tisch legen – irgendwie schon sehr paradox, oder?
Das ist der primäre Grund warum ich aufgehört habe, Tiere zu verspachteln. Und wie ich eigentlich immer wieder (manchmal doch etwas überrascht) feststelle: Mache ich etwas mehr als ein halbes Jahr lang, dann wird es schnell zur Gewohnheit. Ich vermisse Fleisch nicht mehr, im Gegenteil, die Bratwurstorgien auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt dieses Jahr fand ich schon ein bisschen sehr eklig (ich arbeite in einem Büro beim Hauptmarkt). Ich muss sagen, mir das Rauchen abzugewöhnen war sehr viel anstrengender. Und ich kompensiere Fleisch – nach einigen eher frustrierenden Versuchen mit Burgern und Bratwürsten aus Erbsenprotein – auch nicht mit Ersatzprodukten. Fleisch vermisse ich inzwischen einfach nicht mehr.
Warum nicht vegan?
Jetzt stellt sich dem geneigten Leser, der bis hierher durchgehalten hat, vielleicht die drängende Frage: Wenn er sich so um die Tiere in der Landwirtschaft sorgt, warum ernährt er sich nicht gleich vegan? Und dies Frage hat durchaus auch ihre Berechtigung. Aber ich habe Gründe, die ich auch noch kurz erklären möchte.
Erstens: Der Schritt direkt in den Veganismus schien mir dann doch zu heftig, ich hatte Angst zu scheitern. Ich weiß nicht, ob ich auf den wenigen Käse, den ich esse, verzichten könnte. Genauer gesagt ich weiß das, denn ich liebe Käse. Und nein, ich habe bisher keinen veganen Käse gefunden, der einen sardischen Bio-Pecorino auch nur ansatzweise ersetzen könnte.
Zweitens: Ich bin überzeugt, dass wir Tiere auch artgerecht in der Landwirtschaft halten können. Das muss möglich sein, denn die gesamte Menschheit zu Veganern zu machen, wird nicht funktionieren. Aber wenn wir in Deutschland den jährlichen durchschnittlichen Fleischverzehr von aktuell 52 kg pro Bundesbürger auf die 14 kg des 19. Jahrhunderts senken könnten, wäre für das Tierwohl sicher schon viel gewonnen. Darüber hinaus würden wir damit sehr viel mehr Ressourcen für die Ernährung der Weltbevölkerung gewinnen, denn die Produktion von 1 kg Fleisch verschlingt unglaubliche Ressourcen (Soja, Kraftfutter, Anbauflächen) und ist eigentlich absurd unwirtschaftlich. Wenn wir die Fläche die zur Produktion von Fleisch größtenteils zum Anbau pflanzlicher Produkte nutzen würden, wäre das Hungerproblem dieser Welt gelöst.
Drittens: Wenn wir den Anteil tierischer Produkte in unserer Ernährung so weit wie möglich senken, dann sollte eine artgerechte und auf Tierwohl abzielende Haltung in der Landwirtschaft möglich sein. Milchkühe in Weidehaltung, denen nicht am ersten Tag das Kalb vom Euter gerissen wird, geben vielleicht nicht so viel Milch wie unsere aktuellen hochgezüchteten “Milchproduktionsmaschinen”, aber wie gesagt: Wenn wir nicht mehr wie die Blöden Billigkäse fressen und Billigmilch saufen, sollte das kein Problem sein – für die Bauern nicht und für die Tiere vielleicht auch nicht. Mehr dazu würde hier jetzt aber den Rahmen sprengen.
Viertens: Wir brauchen Kühe und Schafe als Klimaretter. Das mag jetzt paradox klingen, gelten Wiederkäuer doch als Klimakiller, weil sie das Klimagas Methan furzen und rülpsen. Stallhaltung ist außerdem sehr energieintensiv (und nicht artgerecht!) und die Herstellung des importieren Kraftfutters aus Südamerika ist Hauptursache von Grünlandumbruch und Waldrodungen. Der zuvor gebundene Kohlenstoff wird dann klimaschädigend in die Atmosphäre freigesetzt. Auf den Anbauflächen wird künstlicher Dünger ausgebracht, der außerdem energieintensiv hergestellt werden muss und sich nach der Ausbringung in Lachgas (ebenfalls ein Klimagas) umwandelt.
Weidehaltung mit Gras und Heu als Hauptfutterquelle kann aber auch klimaschonende Effekte haben. Die Beweidung mit grasenden Tieren regt das Graswachstum an, führt zu mehr Wurzelbildung und dadurch zu mehr Kohlenstoffspeicherung im Boden. Artgerechte Tierhaltung fördert den Humusaufbau und der Dung sorgt für erhöhte Bodenfruchtbarkeit. Das Abgrasen sichert Lebensräume für Vögel und Insekten, auf beweideten Flächen ist die Biodiversität meist auffallend hoch. Erhalt und Weiterentwicklung von Weiden und Grünland sind für das Klima sehr wertvoll, denn sie speichern ein Drittel des globalen Kohlenstoffvorkommens. Unsere Alpen würden ohne Weidehaltung versteppen und verbuschen, Weidehaltung ist eigentlich auch Landschaftspflege. Und ich denke, wir könnten da sicher auch zu einer Win-Win-Situation für Mensch und Tier kommen.
Fünftens: Und was ist mit den Schweinen? Leute, hört auf Schweine zu essen. Schweine sind sehr soziale, empathische und intelligente Tiere und haben diese Behandlung nicht verdient. Der Genuss von Schweinefleisch aus Massentierhaltung ist außerdem nachweislich der Gesundheit nicht zuträglich (Gicht, Cholesterin und Herz-Kreislauferkrankungen, multiresistente Keime, etc.)… (Quelle).
Fazit
Eine größtenteils pflanzenbasierte Ernährung dient dem Tierwohl und hilft bei der Bewältigung der Klimakrise. Sie ist nachweislich gesünder und lebensverlängernd. Der hohe Fleischkonsum in den Industriegesellschaften ist in Verbindung mit unserem Bewegungsmangel verantwortlich für Herz-Kreislauferkrankungen, hohen Blutdruck und Schlaganfall sowie Diabetes. Erste Studien legen außerdem nahe, dass der Konsum stark verarbeiteten Fleisches das Demenzrisiko im Alter stark) erhöht (Quelle).
Und wie wir lebende, fühlende und empathische Wesen als Dinge behandeln und sie quälen ist einer Menschheit, die sich für die Krone der Schöpfung hält, einfach unwürdig!
Alles Argument, die für eine vegetarische oder vegane Lebensweise sprechen. Ich habe mich für erstere entschieden und ich bin noch sehr zufrieden damit. Zusätzlich kaufe ich auch Leder-Produkte aus veganem Leder (ja das gibt’s), unsere Eier sind meistens von einem Bio-Bauern, der seine Hühner aus Bruderhahn-Haltung im Freiland auf der Wiese hält (schmecken besser) und ich koche jetzt vermehrt auch vegan, weil sehr lecker! Und weil mich die Gemahlin mit echt tollen Kochbüchern versorgt….
Warum ich das hier aufgeschrieben habe: Es war mir ein Bedürfnis, das Ergebnis eines längeren Prozesses einfach mal darzulegen. Und vielleicht animiert es doch den einen oder anderen, ein Schnitzel, einen Schweinebraten oder ein Steak weniger zu essen. That’s it. Simple.